Kirchen und sexueller Kindesmissbrauch

Betroffene sowie Zeitzeug*innen berichten der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs von sexueller Gewalt, aber auch von Vertuschung und Schweigen innerhalb der evangelischen und katholischen Kirche.

Der lange Weg der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen und katholischen Kirche

Im Zusammenhang mit dem sogenannten Missbrauchsskandal im Jahr 2010 wurden die Stimmen Betroffener der katholischen Kirche erstmals in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Für die Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch in Deutschland war dies ein entscheidendes Ereignis. Seither finden Betroffene immer mehr Gehör – auch aus der evangelischen Kirche.
Die beiden großen Kirchen unterscheiden sich sowohl in den Tatorten als auch in den Gelegenheitsstrukturen, die den Missbrauch ermöglichen.

Sexueller Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche

Betroffene aus dem Kontext der katholischen Kirche benennen die Gemeinde, das Heim, das Internat und die Schule als Tatorte. Hier haben verschiedene Faktoren sexuellen Kindesmissbrauch begünstigt, wie z.B. Machtstrukturen, durch die Täter geschützt wurden. Auch zeigt sich, dass in den Priesterseminaren die Themen Sexualität, sexuelle Entwicklung und sexuelle Identitätsbildung bisher nicht ausreichend behandelt wurden. Dazu gehört auch eine Diskussion über Zölibat und Homosexualität. Betroffene berichten der Kommission auch, dass Hinweise auf sexuellen Missbrauch häufig mit dem Verweis auf das Beichtgeheimnis nicht weitergegeben wurden.

Tatorte und Gelegenheitsstrukturen in der evangelischen Kirche

Betroffene, die Missbrauch in der evangelischen Kirche erlebt und sich an die Kommission gewandt haben, nennen die Gemeinde, das Heim und die Pfarrfamilie als Tatorte. Darüber hinaus beschreiben Betroffene Gelegenheitsstrukturen in der evangelischen Kirche, die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche begünstigt haben. Ein Faktor, der sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche begünstigt hat, ist das Selbstbild der Institution von einer offenen und liberalen Kirche, das aber verhinderte, dass Betroffene sich offenbarten. Mit Verweis auf das sogenannte Seelsorgegeheimnis haben Geistliche Hinweise auf sexuelle Gewalt nicht weitergegeben, selbst wenn sie von ihrer Schweigepflicht entbunden wurden.

Verbindliche Kriterien für die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in der Kirche

Unabhängige Aufarbeitung braucht den externen Blick und kann nicht allein aus der Institution heraus selbst geleistet werden. Gleichzeitig funktioniert strukturelle Aufarbeitung nicht ohne die Verantwortungsübernahme und Mitwirkung der betroffenen Institution. Vor diesem Hintergrund erarbeitete die Arbeitsgruppe „Aufarbeitung Kirchen“, zu der neben der Unabhängigen Beauftragten (UBSKM), dem Betroffenenrat beim UBSKM-Amt auch die Aufarbeitungskommission gehört, die nachfolgenden verbindlichen Kriterien für Aufarbeitung (sogenannte „Gemeinsamen Erklärungen“) mit den beiden großen verfassten Kirchen in Deutschland.

Katholische Kirche

Evangelische Kirche

Weitere laufende und abgeschlossene Aufarbeitungsprojekte in der evangelischen und katholischen Kirche finden Sie in unserer Übersicht.

Zitat auf grünem Hintergrund zwischen stilisierten Anführungszeichen: Mich hat diese enge Vernetzung von Staatsanwaltschaft, Freundeskreis und katholischen Institutionen irritiert.
Geschichtenportal: Davids Geschichte

Geschichtenportal

Im Januar 2022 hat die Aufarbeitungskommission ein in Deutschland bisher einzigartiges Projekt gestartet: auf dem Portal „Geschichten, die zählen“ berichten Betroffene von sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend. Bisher gibt es 29 Berichte aus dem Kontext Kirchen. Das Portal soll kontinuierlich erweitert und zu einem Erinnerungs-Ort für die Lebensleistung betroffener Menschen werden.

Wie viele Personen berichteten der Kommission von sexuellem Kindesmissbrauch in den Kirchen?

221 Betroffene und Zeitzeug*innen haben sich bisher bei der Kommission gemeldet und über die Erfahrung von sexuellem Kindesmissbrauch im Zusammenhang mit den Kirchen berichtet (Stand Juli 2023). 50 Personen berichteten in einer vertraulichen Anhörung über sexuelle Gewalt in der evangelischen Kirche und 17 teilten sich in einem schriftlichen Bericht mit. Aus dem Kontext katholische Kirche vertrauten sich 100 Personen in einer Anhörung an und 54 in einem Bericht.

Kreisgrafik zur Zahl der Anhörungen im Kontext evangelische Kirche, Gesamtzahl: 67. Größerer Kreis. 50 Anhörungen, kleinerer Kreis: 17 Berichte
Darstellung zur Anzahl von Anhörungen und Berichten von sexuellem Kindesmissbrauch in der evangelischen Kirche, Stand: Juli 2023
Kreisgrafik zur Zahl der Anhörungen im Kontext katholische Kirche, Gesamtzahl: 154. Größerer Kreis. 100 Anhörungen, kleinerer Kreis: 54 Berichte
Darstellung zur Anzahl von Anhörungen und Berichten von sexuellem Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche, Stand: Juli 2023
Das ist keine Aufarbeitung, das ist auch kein Wille zur Aufarbeitung. Das ist einfach nur der Versuch, möglichst nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen, was Mitarbeiter der Kirche Menschen angetan haben.
Betroffener

Die Erkenntnisse der Kommission zu sexuellem Kindesmissbrauch in Kirchen

Sexueller Kindesmissbrauch in der evangelischen und katholischen Kirche war einer der Schwerpunkte der ersten Laufzeit der Kommission. Die bisherigen Erkenntnisse aus den vertraulichen Anhörungen, schriftlichen Berichten, Werkstattgesprächen und dem öffentlichen Hearing hat die Kommission in verschiedener Form veröffentlicht.

Fallstudie

Die Fallstudie „Sexueller Kindesmissbrauch im Kontext der evangelischen und katholischen Kirche“ enthält eine Auswertung von vertraulichen Anhörungen und schriftlichen Berichten von Betroffenen.

Empfehlungen

Mit den Empfehlungen der Kommission liegen erstmals übergreifende Kriterien für eine gelingende Aufarbeitung in Institutionen vor. Diese bieten auch eine Orientierung für Betroffene für den eigenen Aufarbeitungsprozess.

Bilanzbericht

Im April 2019 hat die Kommission den Bilanzbericht ihrer ersten Laufzeit vorgelegt und darin auch Erkenntnisse zu sexuellem Kindesmissbrauch in Kirchen veröffentlicht.

Öffentliches Hearing

Das 3. Öffentliche Hearing der Kommission zum Thema „Kirchen und ihre Verantwortung zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ fand im Juni 2018 in Berlin statt.

Ein Mann und eine Frau sprechen jeweils in ein Mikrofon. Sie heißen Martin Schmitz und Brigitte Tilmann.

Audiobeiträge in der Mediathek: Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs berichten

Stellungnahme zur Aufarbeitung in den Kirchen

Im August 2023 hat die Kommission bei einer Anhörung des Landtages in Nordrhein-Westfalen über die Aufarbeitung im Bereich der Kirchen gesprochen und dafür Gesetze in den Bundesländern gefordert.

Stellungnahme zu den Ergebnissen der „MHG-Studie“

Die Kommission fordert eine umfassende und unabhängige Aufarbeitung in der katholischen Kirche.

Stellungnahme zur Erklärung der Bischöfe auf die „MHG-Studie“

Die Kommission reagiert auf die Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ und kritisiert die deutschen Bischöfe für ihre Reaktion auf die Studienergebnisse. Ein anderer Umgang mit Betroffenen ist nötig.

Stellungnahme zur Aufarbeitung in der evangelischen Kirche

Anlässlich der Synode in Würzburg im November 2018 weist die Kommission die evangelische Kirche auf ihre Verantwortung zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hin.

Werkstattgespräche

Die Kommission hat bisher zwei Werkstattgespräche zum Schwerpunktthema „Sexueller Kindesmissbrauch in Kirchen“ durchgeführt:

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung Sexuellen Kindesmissbrauchs sitzt um einen Tisch
Werkstattgespräch zum Thema Sexueller Kindesmissbrauch in Kirchen in Berlin