Sexueller Kindesmissbrauch in der DDR

Als der Deutsche Bundestag 2015 die Einrichtung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs beschloss, benannte er als eine ihrer vorrangigen Aufgaben die Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch in der DDR. Betroffene, die sich seitdem bei der Kommission gemeldet haben, berichten von physischer, psychischer und sexueller Gewalt.

Gewalt und sexueller Missbrauch in Familien und Institutionen der DDR

In der Familie waren Betroffene oftmals stark der Verschwiegenheit verpflichtet, was es ihnen unmöglich machte, zu sprechen. Nach außen musste das Bild einer sozialistischen Musterfamilie gewahrt werden. Betroffene von sexuellem Missbrauch in Institutionen berichten von Gewalterfahrungen insbesondere in Heimen und Jugendwerkhöfen der DDR, die durch Geschlossenheit, gezielten Einsatz von Unterdrückung und Gewalt sowie durch ein hohes Machtgefälle gekennzeichnet waren.

Kreisgrafik zur Zahl der Anhörungen im Kontext DDR, Gesamtzahl: 305. Größerer Kreis. 244 Anhörungen, kleinerer Kreis: 61 Berichte
Darstellung zum Stand der Anhörungen und Berichte im Kontext DDR, Stand: Juli 2023

Wie viele Personen berichteten der Kommission von sexueller Gewalt in der DDR?

305 Personen haben sich bisher bei der Kommission gemeldet und von sexuellem Missbrauch in Familien und Institutionen in der DDR berichtet (Stand Juli 2023). Davon nahmen 244 Personen an vertraulichen Anhörungen teil und 61 Personen teilten sich in einem schriftlichen Bericht mit.

Weder privat noch öffentlich wurde in der DDR über Kindesmissbrauch oder über einen Heimaufenthalt gesprochen. Auch heute fühlen sich Betroffene noch stigmatisiert.
Christine Bergmann, ehem. Mitglied der Kommission

Die Erkenntnisse der Kommission zum Schwerpunkt DDR

Sexueller Kindesmissbrauch in der DDR war einer der Schwerpunkte der ersten Laufzeit der Kommission. Die Thematik wird auch in der zweiten Laufzeit fortgesetzt. Die bisherigen Erkenntnisse aus den vertraulichen Anhörungen, schriftlichen Berichten, Werkstattgesprächen und dem öffentlichen Hearing hat die Kommission in verschiedener Form veröffentlicht.

Expertise

Die Expertise „Historische, rechtliche und psychologische Hintergründe des sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in der DDR“ liefert auch eine zeitgeschichtliche Orientierung.

Fallstudie

In der Fallstudie „Sexueller Kindesmissbrauch in Institutionen und Familien in der DDR“ wurden vertrauliche Anhörungen und schriftliche Berichte von Betroffenen ausgewertet.

Bilanzbericht

Im April 2019 hat die Kommission den Bilanzbericht ihrer ersten Laufzeit vorgelegt und darin auch Erkenntnisse zu sexuellem Missbrauch in der DDR veröffentlicht.

Fachgespräch „Sexueller Kindesmissbrauch in der DDR – Fokus Totale Institutionen“

Am 04. Juli 2023 fand in Magdeburg das zweite Fachgespräch der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs über sexuellen Kindesmissbrauch in der DDR statt. Im Fokus der Veranstaltung in Sachsen-Anhalt standen Totale Institutionen, etwa Spezialheime, Jugendwerkhöfe und Venerologische Stationen.

Totale beim Fachgespräch Magdeburg. Blick von hinten auf die Bühne mit drei Gesprächsteilnehmenden. Im Hintergrund Rückwand "Tessenow Loft"
Fachgespräch zum Thema „Sexueller Kindesmissbrauch in der DDR – Fokus Totale Institutionen“
Panel 4 beim Fachgespräch "Sexueller Kindesmissbrauch in der DDR - Fokus Sport", von links nach rechts: Christine Bergmann, Elena Lamby, Angela Marquardt, Jan Hempel, Maximilian Klein
Fachgespraech zum Thema „Sexueller Kindesmissbrauch in der DDR – Fokus Sport“

Fachgespräch „Sexueller Kindesmissbrauch in der DDR – Fokus Sport“

Am 26. April 2023 fand in Schwerin das erste regionale Fachgespräch der Aufarbeitungskommission zu sexuellem Kindesmissbrauch in der DDR statt. Bei der Veranstaltung diskutierten Betroffene und Expert*innen aus Politik, Wissenschaft und Sport mit rund 70 Gästen über sexualisierte Gewalt im DDR-Sport.

Geschichtenportal

Im Januar 2022 hat die Aufarbeitungskommission ein in Deutschland bisher einzigartiges Projekt gestartet: auf dem Portal „Geschichten, die zählen“ berichten Betroffene von sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend. Bisher gibt es 18 Berichte aus dem Kontext DDR. Das Portal soll kontinuierlich erweitert und zu einem Erinnerungs-Ort für die Lebensleistung betroffener Menschen werden.

Zitat auf grünem Hintergrund zwischen stilisierten Anführungszeichen: Ich habe all die Jahre geschwiegen, weil es offiziell so etwas in der ehemaligen DDR nicht gab.
Geschichtenportal: Sandras Geschichte
Vier Menschen sitzen auf einer Bühne. Betroffene von sexuellem Missbrauch in der DDR erzählen ihre Geschichte.

Öffentliches Hearing

Im Oktober 2017 hat die Kommission in Leipzig ihr 2. Öffentliches Hearing „Sexueller Kindesmissbrauch in Institutionen und Familien in der DDR“ durchgeführt.

Werkstattgespräche zu sexualisierter Gewalt in Heimen der DDR

Die Kommission hat sich in ihren ersten Werkstattgesprächen im Jahr 2016 u.a. mit Expertinnen und Experten der DDR-Heimerziehung zum Thema sexueller Missbrauch in der DDR ausgetauscht. Darauf folgte eine genauere Untersuchung dieses Schwerpunktes.

Die sechs Kommissionsmitglieder sitzen in einer Reihe an Tischen.