Sexueller Kindesmissbrauch und pädosexuelle Netzwerke

Die Kommission beschäftigt sich auch mit sexuellem Kindesmissbrauch im Zusammenhang mit pädosexuellen Netzwerken. Betroffene haben ihr in vertraulichen Anhörungen oder schriftlich über sexuelle Gewalt in diesen Gruppierungen berichtet. Mit weiteren Zeitzeug*innen und Expert*innen hat sich die Kommission dazu ausgetauscht und eine wissenschaftliche Recherche beauftragt.

Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen: Pädosexuelle Netzwerke seit den 1970er-Jahren

Ein Schwerpunktthema der Kommission in der zweiten Laufzeit war die Aufarbeitung möglicher Netzwerke pädosexueller Gruppierungen, die sich seit den 1970er-Jahren öffentlich für die Straffreiheit sexueller Handlungen von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen einsetzten. Ausgehend von Erkenntnissen aus Anhörungen mit Betroffenen und Gesprächen mit Zeitzeug*innen hat die Kommission eine wissenschaftliche Recherche durchgeführt. Dadurch können die Strukturen und Organisationsformen dieser Gruppen, die sich selbst als „Pädosexuellenbewegung“ verstanden, nachvollzogen werden und auch, welche Interessen sie verfolgten und wie sie diese rechtfertigten. Insbesondere richtete sich bei der Recherche der Blick auf West-Berlin seit den 1970er-Jahren und seit 1990 auf die wiedervereinigte Stadt.

Dann hat er mich in seinen „Freundeskreis“ eingeführt. Das waren Männer, die ebenfalls auf kleine Jungs und kleine Mädchen standen. Das muss man sich wirklich vorstellen. Da saßen drei, vier erwachsene Männer, die Kinder wurden rumgereicht, jeder durfte mal ran. […] Manchmal ging es am Wochenende in eine andere Stadt, weil es da auch ‚Freunde‘ gab.
Betroffener

Ausstellung zu pädosexuellen Netzwerken

Die Aufarbeitungskommission hat eine Ausstellung des Schwulen Museums zu pädosexuellen Netzwerken gefördert: „Aufarbeiten- Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Zeichen der Emanzipation“

Geschichtenportal

Im Januar 2022 hat die Aufarbeitungskommission ein in Deutschland bisher einzigartiges Projekt gestartet: auf dem Portal „Geschichten, die zählen“ berichten Betroffene von sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend. Bisher gibt es vier Berichte aus dem Kontext Pädosexuelle Netzwerke. Das Portal soll kontinuierlich erweitert und zu einem Erinnerungs-Ort für die Lebensleistung betroffener Menschen werden.

Zitat auf grünem Hintergrund zwischen stilisierten Anführungszeichen:"Der Briefkopf war jedes Mal mit dem Stempel 'Deutscher Verein für Päderasten und Pädophiele' versehen."
Geschichtenportal: Julias Geschichte

Betroffene berichten über sexualisierte Gewalt

Ingos Geschichte ist der Bericht eines Betroffenen, der in seiner Kindheit und Jugend sexueller Gewalt in pädosexuellen Gruppierungen ausgesetzt war. Darin werden vor allem die Strategien deutlich, Kinder und Jugendliche gezielt in ein extremes Abhängigkeitsverhältnis zu bringen. Die Geschichte zeigt auch, wie aus der Perspektive des einstigen Kindes das Netz immer dichter wurde und die Abhängigkeit zunahm.


Aktivitäten der Kommission


Digitales Symposium: Sexueller Kindesmissbrauch und pädosexuelle Netzwerke

Über pädosexuelle Netzwerke der 1970er- bis 2000er-Jahre diskutierte die Kommission mit Expert*innen bei einem digitalen Symposium am 1. Juni 2021. Kooperationspartner der Veranstaltung war das Schwule Museum Berlin.

Vier Frauen sitzen auf einer Bühne und sprechen miteinander. Vor der Bühne befinden sich eine Kamera und Bildschirme.

Recherche zu pädosexuellen Netzwerken

Um mehr Wissen über pädosexuelle Gruppierungen und Netzwerke insbesondere in Berlin seit den 1970er-Jahren zu erlangen, hat die Kommission eine Recherche beauftragt. Das Ergebnis ist eine Vorstudie, die Anhand von Archivmaterial und Gesprächen mit Zeitzeug*innen eine erste Übersicht über die Struktur, Organisationsformen, Vernetzungen und Debatten der damaligen Gruppen und Akteure gibt. Die Vorstudie knüpft an vorangegangene Studien im Zusammenhang mit Parteien und Organisationen an.

Austausch zu sexuellem Kindesmissbrauch und pädokriminellen Strukturen

Im November 2016 tauschte sich die Kommission in Werkstattgesprächen mit Betroffenen, Zeitzeug*innen und Wissenschaftler*innen über pädokriminelle Strukturen aus am Beispiel Berlins der 1970er- bis 1990er-Jahre.

Die Kommission spricht in einem Werkstattgespraech über die Recherche in Archiven
Zu Anfang waren es immer drei, vier verschiedene Leute. Der Kreis war eine Art Netzwerk, was ich aber damals als Kind nicht so einordnen konnte. Es waren für mich lose Bekannte, Freundschaften mit irgendwelchen Onkeln, mit denen ich meine Freizeit verbringe.
Betroffener

Wie können Betroffene und Zeitzeug*innen über sexuellen Kindesmissbrauch berichten?

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs möchte heute erwachsenen Betroffenen sowie Zeitzeug*innen die Möglichkeit geben, auch über sexuelle Gewalt in pädosexuellen Netzwerken zu berichten. Wir möchten Sie ermutigen, uns über die Taten und ihre Folgen, das Wegsehen der Verantwortlichen und das Schweigen der Anderen zu berichten: in einer vertraulichen Anhörung oder mit einem schriftlichen Bericht. Wenn Sie Fragen dazu haben oder sich über die Arbeit der Kommission informieren möchten, können Sie zusätzlich beim Infotelefon Aufarbeitung anrufen.