Kommission veröffentlicht Tätigkeitsbericht 2019 - 2023


Berlin, 16.01.2024. Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat den Tätigkeitsbericht ihrer zweiten Laufzeit veröffentlicht. Darin informiert sie über ihre Arbeit von April 2019 bis Dezember 2023 und darüber, was sie vor allem für Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, erreicht und mit ihnen gemeinsam bewegt hat.


Die Arbeit der Kommission zeigt, dass die gesellschaftliche Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs kein abgeschlossenes Projekt ist. Für unabhängige Aufarbeitung auf Bundesebene braucht es staatliche Verantwortung und damit eine gesetzliche Grundlage, die eine dauerhafte Einrichtung der Kommission und eine Stärkung der Rechte Betroffener gewährleistet.

Bis Ende 2023 haben sich mehr als 2.600 Betroffene und Zeitzeug*innen der Kommission anvertraut. Auf dieser Grundlage hat die Kommission Empfehlungen für Aufarbeitungsprozesse in Institutionen entwickelt, ein Portal mit Geschichten Betroffener aufgebaut, 14 öffentliche und nicht öffentliche Veranstaltungen durchgeführt, 12 Studien und andere Publikationen veröffentlicht, 13 Forschungsprojekte initiierte und gefördert sowie sich an verschiedenen Aufarbeitungsprozessen in Institutionen beteiligt. Kommissionsmitglied Barbara Kavemann betonte, auch wenn in den letzten Jahren das Bewusstsein für dieses Thema geschärft worden sei, dürften wir als Gesellschaft uns damit nicht zufriedengeben. Eine Institution müsse auch nach einem Aufarbeitungsprozess offen und kritisch für weitere Erkenntnisse und Offenlegungen von Betroffenen bleiben. Aufarbeitung sei kein kurzfristig abschließbares Vorhaben. Die Kommission verstehe die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs als einen gesellschaftlichen Lernprozess, den sie konsequent weitervorantreibe und dafür sorge, dass er in allen Bereichen – in Institutionen und in der Familie – aktiv weitergeführt werde.

Unser Dank gilt den Betroffenen, die der Aufarbeitungskommission von der sexualisierten Gewalt in ihrer Kindheit berichtet haben. Sie erwarten eine Anerkennung des ihnen geschehenen Unrechts, verbinden dies aber mit dem klaren Auftrag, dass der Staat mit seinen Strukturen Verantwortung übernimmt und Kinder und Jugendliche besser schützt.

Barbara Kavemann

Wie auch in ihrer ersten Laufzeit ist es der Kommission gelungen, in den vergangenen viereinhalb Jahren das Thema sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend und deren Aufarbeitung kontinuierlich in die Öffentlichkeit zu bringen – auch mit Tatkontexten und Themen, die die Öffentlichkeit bisher kaum im Blick hatte, wie den Sport, die Schule, pädosexuelle Netzwerke, die Zeugen Jehovas, Frauen als Täterinnen oder die Bedeutung von Akten und Archiven für die Aufarbeitung.

In verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen konnte die Kommission wichtige Prozesse mit ihrer Arbeit anstoßen und begleiten. So war das öffentliche Hearing der Kommission zu sexuellem Kindesmissbrauch im Sport der Ausgangspunkt für die aktuelle Entwicklung eines Zentrums für Save Sport, welche maßgeblich von den Athleten Deutschland e. V. mitbestimmt wurde. Die Untersuchungen der Kommission im Zusammenhang mit sexuellem Kindesmissbrauch in pädosexuellen Netzwerken haben zu Aufarbeitungsprojekten wissenschaftlicher Fachgesellschaften geführt, die sich damit ihrer Verantwortung bei der Unterstützung pädosexueller Aktivitäten in der Vergangenheit stellen.

In anderen Bereichen, wie bei den Schulen, ist bisher keine vergleichbare Entwicklung erkennbar. Bereits bei ihrem öffentlichen Hearing 2022 hatte die Kommission die Kultusministerkonferenz der Länder aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen und bekannt gewordene Taten sexuellen Kindesmissbrauchs unabhängig und umfassend aufzuarbeiten.

Kommissionsmitglied Prof. Dr. Stephan Rixen verwies darauf, dass der Staat mehr Verantwortung für die Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs übernehmen müsse.

Damit die unabhängige Aufarbeitung auf Bundesebene weiterhin gewährleistet ist, setzen wir uns für ein Gesetz ein, das die Arbeit der Kommission dauerhaft absichert. Das Gesetz muss auch die Rechte Betroffener auf Aufarbeitung, insbesondere ihr Akteneinsichtsrecht, stärken.

Stephan Rixen

Die öffentliche Erschütterung über die Auswirkungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche reduziere sich meistens auf die pathologischen Aspekte und weniger auf die gesellschaftlich notwendigen Prozesse der Aufarbeitung, stellte Angela Marquardt, Mitglied des Betroffenenrates bei der UBSKM, fest. Der Betroffenenrat sei den Mitgliedern der Aufarbeitungskommission dankbar, dass sie sich intensiv für ein Recht auf Aufarbeitung einsetzten.

Wir sind Expert*innen in eigener Sache und begleiten die Arbeit der Kommission von Anfang an. Die Kommission gibt Betroffenen nicht nur eine Stimme, sondern sie lebt unsere verbindliche Beteiligung und übernimmt Verantwortung, sexualisierte Gewalt konsequent wie unabhängig aufzuarbeiten.

Angela Marquardt

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