Ehrung für den Kampf um Aufklärung und Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in der katholischen Kirche: Matthias Katsch erhält Bundesverdienstkreuz


08.04.2021 - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat heute Matthias Katsch und Pater Klaus Mertes das Bundesverdienstkreuz für ihr gesellschaftliches Engagement verliehen.


Matthias Katsch und Bundespräsident Steinmeier bei Verleihung des Bundesverdienstkreuzes
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Matthias Katsch / Bildnachweis: Bundesregierung, Henning Schacht

2010 machten Matthias Katsch und zwei weitere ehemalige Schüler des katholischen Canisius-Kolleg die in den 1970er-Jahren an ihnen begangenen Taten sexualisierter Gewalt durch zwei Patres öffentlich. Sie wandten sich seinerzeit an den damaligen Leiter der Schule, Pater Klaus Mertes. Er unterstützte sie und damit viele andere Betroffene dabei, das jahrelange Schweigen über das erlebte Leid und Unrecht zu brechen. Was dann folgte, ist als der sogenannte „Missbrauchsskandal“ in der katholischen Kirche bekannt.

Seitdem ist Matthias Katsch vor allem als Sprecher der Betroffenenvereinigung Eckiger-Tisch e.V. die Stimme vieler Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend Opfer sexueller Gewalt in Einrichtungen der katholischen Kirche wurden. Aber Matthias Katsch ist weit mehr als das. Seit über einem Jahrzehnt kämpft er unermüdlich für die Aufklärung und Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs und zusammen mit anderen Akteuren für die Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für das Thema in der gesamten Gesellschaft.

Heute wurden Matthias Katsch und Pater Mertes für ihr Engagement mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland geehrt, das ihnen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Schloss Bellevue verliehen wurde. Die Mitglieder der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, zu denen auch Matthias Katsch gehört, gratulieren herzlich zu dieser wichtigen Auszeichnung.

In seiner Rede verwies Bundespräsident Steinmeier auf die gesellschaftliche Bedeutung und Notwendigkeit von Aufklärung und Aufarbeitung:
"Dafür sind Ihnen nicht nur die Betroffenen dankbar, sondern wir als Gesellschaft. Denn jahrzehntelang haben mächtige Institutionen den Mantel des Schweigens über tausendfachen Missbrauch ausgebreitet. Kinder und Jugendliche mit Missbrauchserfahrung standen oft genug allein und ohne Unterstützung. Sie waren Opfer und doch in einem schweren Dilemma: Nicht selten war die Einrichtung, in der sie missbraucht wurden, ihr Zuhause, ein Umfeld von Freunden, auf das sie nicht verzichten wollten. Auch wagten sie lange nicht zu sprechen und taten es meist auch später aus Selbstschutz nicht, wenn ein anderes Leben begonnen hatte. „Ich lebte zwei Leben“, lässt Albert Ostermaier seinen Sebastian in „Schwarze Sonne scheine“ sagen. Und so hielt das Schweigen lange – zu lange! […] Neben vielem anderen hatten Sie das alte Schimpfwort vom Nestbeschmutzer zu ertragen. Dabei ist es doch gerade so, dass die angeblichen Nestbeschmutzer die ersten sind, die angefangen haben, das Nest zu reinigen. Die es überhaupt ermöglichen, dass die Taten von Jahrzehnten sichtbar werden und dass die Notwendigkeit der Aufklärung und der Sichtbarmachung erkannt wird."

Matthias Katsch betonte in seiner Dankesrede, dass der Kampf gegen sexuelle Gewalt lange vor 2010 begonnen hat und viele Heldinnen und Helden dafür zu würdigen sind. Für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt gäbe aber noch einiges zu tun.

Wir haben Fortschritte gemacht, ohne Zweifel, aber es reicht noch nicht. Deshalb werde ich mich weiter dafür einsetzen, dass es aufhört mit der Vernachlässigung, der körperlichen, seelischen und sexuellen Gewalt. Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung als Gesellschaft - damit es aufhört.

Matthias Katsch

Die Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Verleihung des Verdienstkreuzes am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Matthias Katsch und Pater Klaus Mertes am 8. April 2021 in Schloss Bellevue kann hier nachgelesen werden.


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