Die katholische Kirche muss ihre Verantwortung endlich übernehmen und eine umfassende und unabhängige Aufarbeitung beginnen!


04.10.2018In einer Stellungnahme zeigt sich die Aufarbeitungskommission enttäuscht von der Reaktion der katholischen Kirche auf die MHG-Studie. Die Kommission formuliert Fragen an die Bischofskonferenz und betont die Verantwortung der Kirche gegenüber Betroffenen.


Berlin, 04.10.2018. Stellungnahme der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs zur Erklärung der deutschen Bischöfe vom 27. September 2018 zu den Ergebnissen der Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ (MHG-Studie)

Die angekündigten Maßnahmen der deutschen Bischöfe als Reaktion auf die MHG-Studie enttäuschen. Vor allem den von sexueller Gewalt betroffenen Menschen wird erneut viel Geduld abverlangt. Die vage Erklärung wird dem in der Studie aufgedeckten Ausmaß sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und den Dimensionen des Vertuschens innerhalb der katholischen Kirche nicht gerecht. Die Erklärung wirkt halbherzig und zeugt nicht von einer eindeutigen Verantwortungsübernahme. Der von Kardinal Marx angekündigte Wendepunkt im Umgang der katholischen Kirche mit Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs wird daraus nicht ersichtlich. Für die Überwindung der „Selbstherrlichkeit von Amtsträgern der Kirche“, wie die Erklärung am Ende verspricht, sind die angekündigten Schritte noch weit entfernt. Hier sieht die Kommission schnellen Klärungsbedarf.

Fragen der Kommission an die Deutsche Bischofskonferenz
In unserem Staat übernimmt die Kirche wichtige Aufgaben der Erziehung, Bildung und Betreuung von Heranwachsenden. Die Verantwortung für diese wurde der Kirche von der Gesellschaft übertragen. Sie hat daher ein Recht auf konkrete Informationen über den Umgang der Kirche mit Betroffenen, über die unabhängige Aufarbeitung der Kirche von Missbrauch an Minderjährigen, die Auseinandersetzung mit täterschützenden Machtstrukturen innerhalb der Kirche und die Haltung der Kirche zu Sexualität und Klerikalismus. Antworten der Bischöfe auf folgende Fragen stehen aus:

Umgang mit betroffenen Menschen
– Wie wird ein respektvoller, achtsamer, transparenter und partizipativer Umgang mit Betroffenen jetzt gestaltet?
– Welche Vorstellungen gibt es über Höhe und Modalitäten von finanziellen Leistungen an Betroffene und wie soll das Verfahren zur konkreten Anerkennung des Unrechts aussehen?
– Welche Qualitätsstandards werden an Anlaufstellen für betroffene Menschen angelegt und mit welchen finanziellen und personellen Ressourcen werden sie ausgestattet?

Unabhängige Aufarbeitung
– Mit welchen Verfahren wird sichergestellt, dass sämtliche Bistümer eine unabhängige Aufarbeitung auf den Weg bringen und nach welchen verbindlichen Standards erfolgt die Aufarbeitung?
– Wie wollen die Bischöfe Aufarbeitungsgegner in den eigenen Reihen überzeugen?
– Werden Betroffene in die anstehenden Aufarbeitungsprozesse einbezogen?
– Ist in der katholischen Kirche in Deutschland die Aufarbeitung in den Orden vorgesehen?
– Wie werden weitere Defizite der Studie (z.B. kein uneingeschränkter Zugang zu den Archiven, Frauen als Täterinnen) bei der Aufarbeitung berücksichtigt?

Überwindung täterschützender und kinderfeindlicher Machtstrukturen
– Wie soll die Klärung über die Kleriker erfolgen, die „über die Täter hinaus institutionell Verantwortung für das Missbrauchsgeschehen in unserer Kirche getragen“ haben, zum Beispiel, indem sie die Straftaten vertuscht haben?
– Wann wird konkret damit begonnen, strukturelle Veränderungen, die als täterschützend identifiziert wurden, umzusetzen und wer wird daran beteiligt werden?

Haltung zu Sexualität und Klerikalismus
– Es ist nachvollziehbar, dass einige in der Studie aufgeworfenen Fragen bezüglich der zölibatären Lebensform und des Umgangs mit Sexualität sowie nach dem Beichtgeheimnis Zeit benötigen. Aber welche mittelfristigen Ziele wollen sich die Bischöfe setzen? Welchen Kreis von Externen wollen sie einbeziehen?
– Wie zeigt sich die Bereitschaft bei den Verantwortlichen der Kirche, Macht abzugeben, um „ein neues Miteinander in der Kirche“ realisieren zu können?

Die Kommission ist bereit, mit der katholische Kirche zu den gestellten Fragen und einer umfassenden Aufarbeitung in den Dialog zu treten.

Die Kommission hat mit vielen Betroffenen gesprochen. Sie erwarten Gerechtigkeit und dazu muss die katholische Kirche nach wie vor einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Kommission hat auch Kontakt mit vielen Menschen, die innerhalb der Kirche im Sinne der Betroffenen für unabhängige Aufarbeitung und Kinderschutz etwas bewegen wollen. Wir hoffen, dass diese Stimmen nun endlich gehört werden und deren Engagement gestärkt wird.


Pressekontakt

Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs

Kirsti Kriegel
Telefon: +49 (0)30 18555-1571
Fax: +49 (0)30 18555-4 1571
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