Betroffene sprechen öffentlich über sexualisierte Gewalt in der Heimerziehung
17.06.2025 - Die Unabhängige Kommission des Bundes zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs veranstaltet am 17. Juni in Berlin ihr 6. Öffentliches Hearing zum Thema „Sexueller Kindesmissbrauch und Heimerziehung“. Viele betroffene ehemalige Heimkinder aus der DDR und der Bundesrepublik kämpfen bis heute um Anerkennung der erlittenen Gewalt und um eine angemessene Entschädigung.
Sexualisierte Gewalt in Heimen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland gehört zu den dunkelsten Kapiteln der Nachkriegsgeschichte. Seit 2016 haben sich 149 Betroffene an die Unabhängige Kommission des Bundes zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs gewandt und darüber berichtet, wie sie in Heimen, Jugendwerkhöfen oder anderen Einrichtungen der stationären Kinder- und Jugendhilfe sexualisierte Gewalt erfahren haben. Die Auswirkungen dieser Misshandlungen sind tiefgreifend und begleiten die Betroffenen oft ein Leben lang.
Das 6. Öffentliche Hearing der Aufarbeitungskommission des Bundes „Sexueller Kindesmissbrauch und Heimerziehung“ möchte Betroffenen die Möglichkeit geben, von ihren Erfahrungen zu berichten. Darüber hinaus soll gemeinsam mit ihnen sowie Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Praxis und Wissenschaft erörtert werden: Welche Strukturen in den Heimen begünstigten sexualisierte Gewalt, welche Verantwortung haben Träger und staatliche Institutionen und wie können Betroffene besser unterstützt werden?
Bereits 2009 wurde aufgrund einer Petition ehemaliger Heimkinder der Runde Tisch „Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren“ eingerichtet. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche wurde dabei nur am Rande thematisiert. Von 2012 bis 2018 existierten zwei Fonds, um die Folgen repressiver Heimerziehung für ehemalige Heimkinder abzumildern. Allerdings wurden die Bertoffenen unzureichend über die Fonds informiert. Eine erhebliche Anzahl von Betroffenen hat keine Unterstützungsleistungen erhalten und kämpft weiter um die Anerkennung des erlebten Unrechts.
Deshalb muss die Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt in der Heimerziehung konsequent weitergeführt werden. Die Verantwortung von Staat und Trägerverbänden ist mit der Fondslösung nicht abschließend erfüllt. Den Betroffenen aus der Heimerziehung wurden systematisch Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten vorenthalten. Viele konnten deshalb nicht ausreichend für ihren Lebensunterhalt sorgen.
Das Unrecht, das viele ehemalige Heimkinder erleben mussten, ist bislang nicht im öffentlichen Bewusstsein verankert. Die Sensibilisierung kann man nicht den Betroffenen aufbürden. Dafür sind wir alle verantwortlich und das heutige Hearing soll einen Beitrag dazu leisten.
Ein weiterer Schritt wäre eine Gedenkveranstaltung im Bundestag für Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend. So könnte der Staat zeigen: wir übernehmen Verantwortung dafür, dass wir diese Kinder nicht gut genug geschützt haben.Heiner Keupp
Außerdem sind viele der betroffenen Frauen und Männer, die als Kinder und Jugendliche in Heimen sexualisierte Gewalt erleben mussten, inzwischen hochaltrig. Für sie ist die Vorstellung erneut in einer Heimeinrichtung leben zu müssen, eine enorme Belastung. Als Aufarbeitungskommission finanzieren wir deshalb ein Forschungsprojekt zu Versorgungsmöglichkeiten ehemaliger Heimkinder im Alter.
Für viele Betroffene ist es schwer, sich in Behandlung zu begeben, Hilfe zu suchen und gegenüber Institutionen ihre Interessen und Rechte zu vertreten. Es bedarf daher einer fachlich guten Beratung zu Alternativen eines menschenwürdigen Alterns und der Schaffung dazu erforderlicher Leistungen z.B. in der Altenpflege.
Silke Gahleitner
Das Hearing wird heute ab 10.30 Uhr live auf der Internetseite der Kommission übertragen. Dort finden Sie auch das Programm des Hearings sowie die Kurzbiografien der Podiumsgäste.
Pressekontakt
Unabhängige Kommission des Bundes zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs
Marie Kersten
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