Diskussion über Arbeit der Jugendämter auf dem Deutschen Jugendhilfetag
14.05.2025 – Die Unabhängige Kommission des Bundes zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hat im Rahmen des 18. Deutschen Jugendhilfetags über die Ergebnisse ihrer Fallstudie „Sexueller Kindesmissbrauch und die Arbeit der Jugendämter“ diskutiert. Im Zentrum stand die Frage, wie Jugendämter ihren Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, verbessern können.

Kommissionsmitglied Prof. Dr. Barbara Kavemann diskutierte gemeinsam mit Ingo Fock, 1. Vorsitzender von gegen missbrauch e.V. sowie Prof. Dr. Heinz Kindler, vom Deutschen Jugendinstitut, und Dr. Thomas Meysen, vom SOCLES International Centre for Socio-Legal Studies, über die Fallstudie „Sexueller Kindesmissbrauch und die Arbeit der Jugendämter“. Die Studie basiert auf vertraulichen Anhörungen und schriftlichen Berichten von Erwachsenen, die in ihrer Kindheit und Jugend sexuelle Gewalt erlebt und sich an die Kommission gewandt haben. Zusätzlich haben die Wissenschaftler*innen dazugehörige Jugendamtsakten analysiert und Interviews mit Expert*innen aus der Fachpraxis geführt.
Prof. Dr. Kindler und Dr. Meysen erläuterten die zentralen Ergebnisse der Fallstudie. Sie wiesen darauf hin, dass aus einigen Anhörungen und Berichten ein angstbesetztes Bild vom Jugendamt hervorging. Einige Täter nutzten das Jugendamt als Drohkulisse, um Betroffene einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen. Eine weitere zentrale Erkenntnis der Studie sei, dass die Reaktionen der Beschäftigten in den Jugendämtern einen erheblichen Einfluss darauf hätten, ob die Kinder und Jugendlichen von ihren Gewalterfahrungen berichten. Deshalb müssten die Fachkräfte befähigt werden, Vertrauen aufzubauen und Hinweisen auf sexualisierte Gewalt mit Geduld nachzugehen.
Viele Menschen, die sexuelle Gewalt erlebt haben, gehen davon aus, dass sie selbst dafür verantwortlich sind. Deshalb vertrauen sich betroffene Kinder und Jugendliche selten beim ersten Kontakt mit dem Jugendamt den Mitarbeitenden an.
Prof. Dr. Heinz Kindler
In der anschließenden Diskussion betonte Ingo Fock von Gegen Missbrauch e.V., dass die Jugendämter in Deutschland eine Imagekampagne und eine bessere personelle Ausstattung bräuchten, um die Mitarbeitenden zu entlasten. Der negative Ruf der Jugendämter schade sowohl der Personalgewinnung als auch den Betroffenen sexualisierter Gewalt.
Barbara Kavemann führte aus, dass Grundlage des Akteneinsichtsrechts, das für die individuelle Aufarbeitung der Betroffenen wichtig und im SGB VIII gesetzlich verankert ist, eine sorgfältige Dokumentation in den Akten sei. Jugendämter müssten sich zudem der Aufarbeitung von Scheitern beim Schutz vor sexualisierter Gewalt stellen. Es gebe bereits gute Entwicklungen und erste Aufarbeitungsprozesse in einigen Jugendämtern – obwohl finanzielle Mittel dafür knapp bemessen seien. Zum Schluss ermutigte sie die Mitarbeitenden von Jugendämtern: Sie sollten keine Angst vor dem Umgang mit Betroffenen haben. Es gibt Unterstützung.
Fachkräfte brauchen Kompetenzen in der Gesprächsführung mit Betroffenen, damit diese sich angenommen und verstanden fühlen. Hier braucht es Fortbildungen. Sie müssen das nicht allein schaffen, holen Sie sich Unterstützung von Expert*innen.
Prof. Dr. Barbara Kavemann
Der Deutsche Jugendhilfetag ist mit ca. 30.000 Besucher*innen der größte Fachkongress Europas zur Kinder- und Jugendhilfe. Alle vier Jahre kommen Expert*innen aus der Fachpraxis, Forschung Politik und Verbänden auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) zusammen und tauschen sich im Rahmen von Fachveranstaltungen aus.
Foto: ©Marie Kersten